Eine unglaubliche Frau und ein unglaubliches Erlebnis: In 10.000 m Höhe während eines WM-Wettbewerbs bewusstlos in einem Gleitschirm hängend, Frostschäden bei -51 Grad erleidend und gegen eine Übermacht an physikalischer Kraft kämpfend, knapp dem Tod entronnen: Ewa Wisnierska, eine deutsche Top-Gleitschirmfliegerin, aus Polen stammend. Passiert im Januar, Februar 2007.
Hier der Originalbeitrag aus der "Welt":
Innerhalb von Sekunden hatte der Sog eingesetzt und den Gleitschirm wie einen Federball mitgerissen. Von jetzt an ging es nur noch aufwärts. Mitten ins Gewitter. Hagelkörner, groß wie Pampelmusen, prasselten aus den Wolkenmassen. Eisige Böen rissen an den Gurten, peitschten den Gleitschirm durch die Schlechtwetterfront.
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Längst war der Akku ihres Funkgeräts eingefroren. Über die Gläser ihrer Flugbrille hatte sich eine dicke Eisschicht gelegt. Ewa Wisnierska sah die Blitze nicht. Sie konnte sie nur hören. Donnernd entluden sie sich vor ihr, hinter ihr, neben ihr. Aber ihr Schirm flog noch. „Gut“, dachte die deutsche Gleitschirm-Weltmeisterin. „Solange der Schirm noch fliegt, finde ich viel-leicht einen Ausweg, ein Schlupfloch aus der Wolkenfront.“ Dann wurde sie ohnmächtig.
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Gleitschirm Australien Tod Sturm Extremsport Ewa Wisnierska
Die Geschichte, die Ewa Wisnierska dieser Tage aber- und abermals erzählt, klingt so unglaublich wie die Drehbuch-Vorlage für einen James-Bond-Thriller. Die Deutsche überlebte beim Training in Australien einen unkontrollierten Katastrophenflug mit ihrem Gleitschirm, bei dem sie fast vierzig Minuten ohne Bewusstsein war, während ein Unwetter sie auf eine Jumbo-Jet-Flughöhe von 9946 Metern katapultierte. Ein chinesischer Wettkampfpartner hatte weniger Glück: Er starb im Sturm.
Von Aufgabe keine Spur
Trotz der dreieinhalbstündigen Odyssee denkt die Extremsportlerin nicht ans Aufgeben. Die 35-Jährige will bei der Gleitschirm-Weltmeisterschaft, die Ende der Woche im australischen Manilla beginnt, auf jeden Fall antreten. „Vielleicht wird es mein letzter Wettkampf und ich mache danach nur noch als Genussfliegerin weiter“, sagt Ewa Wisnierska, die sich schon drei Tage nach dem Unglücksflug wieder erstaunlich fit zeigt: „Meine Ohren und Unterschenkel sind verfroren und meine Hände sind noch taub. Aber davon abgesehen bin ich nicht mal erkältet.“
In einer Höhe, die selbst unter Mount-Everest-Bergsteigern als Todeszone gilt, trug die Deutsche nicht mehr als eine knielange Shorts, ein T-Shirt und eine dünne Windjacke. Nach Aussage ihres Arztes habe sie nur über-lebt, weil sie das Bewusstsein verloren hatte. „So konnte ich nicht in Panik geraten, mein Körper hat alle Funktionen auf das Minimum heruntergefahren und deshalb nur wenig Sauerstoff gebraucht“, sagt Wisnierska. Das war ihr Glück.
Als sie wieder zu sich kam, hatte der Wind ihre Beine aus dem Gurtsack gerissen. Schutzlos baumelten sie im Hagelsturm. Mit ihren dicken Hand-schuhen kratzte sie das Sichtfeld ihres Positionsmelders frei: 6900 Meter. „Ich muss runter!“ hämmerte sich die Sportlerin immer wieder ins Gehirn. Runter, aber wie? Die Bremsgriffe hatte sie aus den Händen verloren. Voller Eiszapfen pendelten sie über ihrem Kopf. „Alles war vereist: meine Brille, die Gurte, der Gleitschirm“, erinnert sich Wisnierska.
Die Landung
Mit letzter Kraft brachte sie ihr Fluggerät unter Kontrolle und begann, abwärts zu trudeln. Richtung Erde. Auf 5000 Metern Höhe bemerkte sie, dass sie nicht mehr stieg. Die Wolke hatte sie freigegeben.
Auf einem Acker neben einer Farm, 60 Kilometer entfernt vom Startpunkt, ging die Gleitschirmfliegerin schließlich zu Boden. Noch als die Rettungskräfte, die sie per Mobiltelefon erreichten, eintrafen, habe sie am ganzen Körper gezittert, sagt Ewa Wisnierska. Sie weiß, dass sie dem Tod nur knapp entronnen ist. Und kann sich den Galgenhumor doch nicht verkneifen. „Ehrlich gesagt: Die Landung war butterweich.“
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